LiBerTas - Leistungsbewertung in Berufungsverfahren – Traditionswandel in der akademischen Personalselektion

Projektbeschreibung

Ausgangspunkt des Projekts ist die Konzeption des Berufungsverfahrens als einer Kombination unterschiedlicher sozialer Koordinationsformen oder Ordnungen (Markt, Verhandlung, wissenschaftliche Gemeinschaft, Netzwerk, kollegiale Gruppe, Organisation). Gegenwärtig unterliegt die Berufung einem institutionellen Wandel, der als Zurückdrängung des etablierten Modells einer staatlich beaufsichtigten, kollegialen Kooptation zugunsten eines stärker durch die Hochschulorganisation gesteuerten Prozesses beschrieben werden kann. Dabei ändern sich die gesellschaftlichen (z. B. Anhebung des Frauenanteils in der Professorenschaft), strukturellen (Exzellenzinitiative etc.) und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Personalrekrutierung (Übertragung des „Ruferteilungsrechts“ auf die Hochschulleitungen; Erosion des Hausberufungsverbots, Befristung von Erstrufen und Ausstattungszusagen, Differenzierung zwischen Lehr- und Forschungsprofessuren, Einführung ,nicht-traditioneller‘ Berufungsprozesse wie Short List-, Fast Track-, Tenure Track-Verfahren; Zunahme gemeinsamer Berufungen etc.). Infolgedessen erhöht sich der bislang eher geringe Einfluss der deutschen Hochschulen auf die Auswahl ihres Personals. Zugleich werden Berufungsverfahren stärker formalisiert (u. a. durch Berufungsordnungen und -beauftragte). Weitere Effekte des Wandels zeichnen sich in den drei Hauptphasen des Verfahrens ab (Stellendefinitions-, Auswahl-, Verhandlungsphase), so z. B. eine stärkere Einflussnahme der Hochschulleitung, frühzeitiges Headhunting, graue Vorgespräche oder eine veränderte Kultur der Gehalts- und Ausstattungsverhandlungen.    

Vor diesem Hintergrund geht das Projekt von drei zentralen forschungsleitenden Annahmen aus:

  1. Berufungsverfahren unterliegen gegenwärtig einem institutionellen Wandel.
  2. Dieser Wandel wirkt sich u. a. auf die bei Ausschreibung und Besetzung von Professuren eingesetzten Leistungs- und Passfähigkeitskriterien aus.
  3. In Berufungsverfahren kommt es zu einem veränderten Gefüge der institutionellen Logiken von Hochschulorganisation, professoralem Kollegium und wissenschaftlicher Gemeinschaft.

In Bezug auf diese Annahmen bearbeitet das Projekt drei Untersuchungsfelder:

  • Rahmenbedingungen, Erscheinungsformen und Einschätzungen des Wandels von Berufungsverfahren: Dieser Untersuchungsschwerpunkt fokussiert in bundesweiter Perspektive die rechtlichen Hintergründe, konkreten Erscheinungsformen und Einschätzungen des heutigen Entwicklungsstandes der Berufung. Untersucht werden a) die Gestaltung (Entscheidungsstrukturen, Dauer etc.), b) die Beurteilung von Ist-Stand und Zukunft von Berufungsverfahren durch involvierte Akteure wie Hochschulleitungen, Dekaninnen und Dekane, Gleichstellungsbeauftragte, Berufungskommissionsvorsitzende, neuberufene Professor(inn)en sowie c) Umfang, Intention und Probleme des Einsatzes ,nicht-traditioneller‘ Verfahren.
  • Bewertung von Leistung und Passfähigkeit in Berufungsverfahren: Im Mittelpunkt stehen hier die in den verschiedenen Verfahrensphasen eingesetzten Kriterien für die Bewertung von Leistungsfähigkeit (Forschung, Lehre, überfachliche Sozial-, Methoden-, Selbstkompetenzen) und Passfähigkeit (Alter, Geschlecht, Gewinnungswahrscheinlichkeit) von Bewerber(inne)n bzw. Berufenen. Insbesondere wird betrachtet, wie die Kriterientypen im Rahmen von Berufungsverfahren a) spezifiziert, b) operationalisiert und c) gewichtet werden, welche Unterschiede sich dabei in Bezug auf die involvierten Akteure, Fächer, Organisationstypen, Leistungsprofile, Verfahrensarten und -phasen ergeben und auf welche institutionellen Logiken diese Unterschiede zurückzuführen sind.
  • Konsequenzen des Wandels für das Verhältnis zwischen Hochschulorganisation, akademischem Kollegium und wissenschaftlicher Gemeinschaft: Gefragt wird hier, wie sich der Umbau der akademischen Personalselektion auf das Verhältnis zwischen den ,institutionellen Logiken‘ (Wissensordnungen, Normen- und Wertesysteme) von Professorenschaft, Hochschule und Wissenschaft auswirkt. Angenommen wird, dass die Rekalibrierung dieses Verhältnisses verschiedene Formen annehmen kann (Entkopplung, Verdrängung, Rekombination, Import von Fremdsemantiken etc.). Vor diesem Hintergrund soll geklärt werden, wie sich dies jeweils auf den Ablauf von Berufungsverfahren auswirkt, welche Konflikte und Praktiken des Konfliktaustrags dabei auftreten und welche Unterschiede in Bezug auf Fächer, Organisationstypen, Leistungsprofile und Verfahrensarten sich dabei zeigen.

Ziele des Projekts

Licht in die "Black Box" Berufungsverfahren bringen, durch:

  • Bundesweite Erfassung des gegenwärtigen Entwicklungstands von Berufungsverfahren
  • Herausarbeitung der Kriterien für die Bewertung von Leistungs- und Passfähigkeit von Bewerber(innen) auf eine Professur
  • Gegenüberstellung der Bewertungsordnungen von professoralem Kollegium, wissenschaftlicher Gemeinschaft und Hochschulorganisation in Berufungsverfahren

Projektdaten

Laufzeit: 1. November 2013 – 31. Oktober 2016
Förderkennzeichen: 01PY13008

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Link zur Projektbeschreibung auf der BMBF-Website

Projektleitung

Dr. Bernd Kleimann, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Hannover

Mitarbeiter/innen

Dr. Susanne In der Smitten, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Hannover
Maren Klawitter, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Hannover

Kontakt

Dr. Bernd Kleinmann
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW)
Goseriede 9, 30159 Hannover 
E-Mail: kleimann@dzhw.eu
Telefon: 0511/1220 162